Reaktion der Behörden und Entscheidung (8/11)

Reaktion BLFD

Nach einigen Tagen erhielt ich Antwort vom BLFD.

Sehr geehrter Herr Straub,

besten Dank für ihre Meldung nach Art. 8 und darüber hinaus, dass Sie die Bestattung im Boden belassen haben. Mit dem Fund ist die Stelle Bodendenkmal geworden. Weiteres Graben an dieser Stelle und Umgeben bedarf daher der Genehmigung nach Art. 7 BDSchG, eine Genehmigung, die allerdings nur Fachkräfte erhalten
.
…„

Mit anderen Worten, als Belohnung für die Meldung darf ich als einziger Mensch in Deutschland [8] dort nicht mehr graben.[10] Als Sondengänger gilt man dem BLFD automatisch als Nichtfachkraft, unabhängig von seinen Kenntnissen.

Nach Rücksprache mit Referatsleiter Herr XXX möchte das BLfD die Urne nicht bergen

Sie selber wollten es nicht, aber mir wollten sie die Bergung verbieten. Wie das Beispiel des Ösenringbarrenhorts von Kirchseeon zeigt, will das BLFD praktisch nichts bergen, was nicht durch eine Baumaßnahme gefährdet ist.



Wir werden Ihre Meldung der Staatssammlung weiter leiten mit der Möglichkeit, dass diese die Urne bergen kann.
….“

Das BLFD hatte mich nicht gefragt, ob ich mit der Weiterleitung der Fundmeldung an andere einverstanden bin.

Davon abgesehen war die Involvierung der Archäologischen Staatssammlung (AS) überraschend, aber nicht unwillkommen. So lernte ich die auch mal kennen.

Allerdings fragte ich mich, welches Interesse die AS an einer gewöhnlichen Fibel haben soll.

Immerhin erteilt das BLFD zumindest noch der AS Grabungsgenehmigungen.

Die Mitteilung enthielt noch einige weitere Zeilen, die zusammengefasst den Eindruck vermittelten, dass alles, inklusive der eigentumsrechtlichen Fragen, sehr kompliziert sei.

Nach Erhalt der Email rief ich beim BLFD an. Der Mitarbeiter war sehr freundlich und pries mein „vorbildliches“ Verhalten. Er hat unter den bayerischen Sondengängern einen guten Ruf. Nicht weil er alles absegnet, das tut er nicht, sondern weil man mit ihm vernünftig reden kann. Er kennt die Realität der Sondengänger aus früheren Jahren, als es noch Genehmigungen und wesentlich mehr Fundmeldungen gab. Leider ist es nicht der Leiter. Um ihm keine Ungelegenheiten zu bereiten, wird sein Name hier nicht genannt.

Wir merken uns für die Kommunikation mit den Denkmalschutzbehörden:

Ich sagte ihm,

Er entgegnete, dass er die Meldung auch zu schätzen wüsste, aber die Position des BLFD sei nun einmal so. Und fragte mich, wie ich die Gefährdung der Urne einschätze. Ich sagte, sie sei extrem gefährdet. Und zwar durch mich.

Verglichen mit der Frühzeit der Archäologie erscheint mir die Position des BLFD geradezu lächerlich streng. Als der britische Abenteurer F.A. Mitchell-Hedges zwischen den Weltkriegen in British-Honduras, dem heutigen Belize, die Mayastadt Lubantuun entdeckte und es den Behörden meldete, erhielt er für 20 Jahre die Exklusiverlaubnis in einem Gebiet von 70 Quadratmeilen Ausgrabungen anzustellen [32]. Dafür wurde sogar ein eigenes Gesetz verabschiedet. Heute werden einem nicht mal 1 qm zugebilligt. Gewiss, das ist ein Menschenleben her, aber dafür ging es bei Mitchell-Hedges auch um eine ganze Stadt. Bei dieser Allerweltsurne veranstaltet das BLFD ein Tamtam als hätte ich vorgehabt, die in Bayern gefundene Goldmaske eines Pharaos einzuschmelzen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das BLFD primär daran interessiert ist, dass die Artefakte im Boden bleiben. Das ist mit dem primären Interesse des Sondengängers sie auszugraben natürlich unvereinbar und alle Kompromissbereitschaft in sekundären Fragen hilft nicht weiter. Es gibt daher unter dem aktuellen Leiter der Bodendenkmalpflege, Herrn Dr. Sommer, keine Basis für eine Zusammenarbeit. Vielleicht ist sein Nachfolger kooperativer.

Reaktion Archäologische Staatssammlung (AS)

Eine Woche später erhielt ich eine Mail des stellvertretenden Direktors der AS, Herrn Dr. Gebhard. Er schrieb, dass er mich nächste Woche wegen Verabredung eines Termins zur Ortsbesichtigung erneut kontaktieren würde.

Er fragte nicht, ob ich bereit sei, Mitarbeiter der AS zum Fundort zu führen.

Ich schrieb zurück, dass wir gerne telefonieren könnten, dass ich angesichts der strikten Position des BLFD ab nicht sähe, wie ein Kompromiss gefunden werden könne, der allen Beteiligten gerecht würde. Er mailte zurück, dass dies in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit schon gelungen sei.

Nach zwei Telefonaten, die ich mit Herrn Dr. Gebhard und dem Direktor der AS, Herrn Prof. Dr. Wamser führte, kann das Verhalten der AS wie folgt beschrieben werden.

Die AS hat das primäre Interesse Artefakte für Ihre Sammlung zu erlangen, d.h. dem Finder abzukaufen. Sie braucht dabei Rechtssicherheit, d.h. ist bei Interesse bereit, dem Finder 50% [11] des Wertes zu zahlen. (Die anderen 50% zahlt sie an den Grundeigentümer nach §984 BGB). Außerdem möchte sie ggf. vom Finder zum Fundort geführt werden. Alles dies ist absolut nachvollziehbar.

Sofern diese Rahmenbedingungen eingehalten werden, ist die AS in einem sehr breiten Rahmen bereit, auf den Sucher einzugehen. Sie stimmte z.B. folgenden Punkten zu

Besonders angenehm war das Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Wamser. Während man normalerweise von den Amtsarchäologen solange wie jemand ohne archäologische Fachkentnisse behandelt wird, bis man ihnen das Gegenteil bewiesen hat, kam es hier sehr schnell zu einem schönen Fachgespräch. Er interessierte sich mit brennender Neugierde für alle Funde. Solch anregende Gespräche kann man sonst nur mit anderen Sondengängern führen, und ich erzählte ihm mehr als anderen und auch mehr als in diesem Bericht steht.

Er deutete sogar an, dass eventuell die Möglichkeit einer Publikation meiner Entdeckung der Römerstraße bestünde. Das hat mich sehr überrascht. Am Anfang meiner Suchzeit hätte ich mir gar nichts Besseres vorstellen können und ich wäre begeistert darauf eingegangen.

Mittlerweile, nach 8 Jahren BLFD Erfahrung, hege ich eine gewisse Grundskepsis gegen staatlichen, archäologischen Institutionen. Meine gesamte Erfahrung mit ihnen ist, dass man sich mit der Meldung von Entdeckungen selber angreifbar macht, und zwar umso mehr, je hochkarätiger die Entdeckung ist. Funde sind nur bis zu einer gewissen Qualitätsgrenze meldefähig [15], darüber wird es zu heikel. Auch glaube ich mittlerweile, das man angesichts des Verhaltens der Behörden als Schatzjäger weitaus mehr Spaß hat denn als Amateurforscher. Dies habe ich in Bezug auf Herrn Prof. Dr. Wamser sehr bedauert. Er hätte sich sicher gefreut, auch von besseren Funden zu hören. Ich hätte sie ihm gerne gezeigt oder es vermittelt, wenn die Verhältnisse anders wären.

Etwas konnte ich aber schon für die AS tun. Ich bot ihr an, sie zu den genauen Fundstellen der Hipposandale oder der Fibel zu führen, sowie ihnen die Fibel zur Zeichnung zu überlassen. Unter der Bedingung, dass ich die Artefakte behalten kann. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich die jeweiligen Fundorte noch mit Lochgenauigkeit wiedergefunden. Sie waren daran jedoch nicht interessiert. Grundbedingung ist für sie wohl immer, dass sie ein Artefakt ihrer Sammlung einverleiben können.

Die AS ist bereit und in der Lage Funde nach allen Regeln der archäologischen Kunst auszugraben. Sie haben modern eingerichtete Werkstätten.

Bergungsprofessionalität

Oft wird das Argument genannt, dass im Interesse des archäologischen Erkenntnisfortschritts Bergungen von Artefakten bzw. die Dokumentierung von Befunden ausschließlich durch Berufsarchäologen durchgeführt werden sollte. Wie viel Substanz hat dieses Argument im Fall des vorliegenden Urnengrabs? Um wie viel schlechter ist die Qualität einer Bergung und Auswertung durch Privatpersonen gegenüber der AS?

Die AS selber war, wenig verwunderlich, der Meinung, dass eine Bergung durch ihre Mitarbeiter wesentlich mehr Informationen liefern würde. Schlechter Wirt, der seinen Wein nicht lobt. Wenn man alles rhetorische Feuerwerk ignoriert, das Amtsarchäologen in solchen Diskussionen üblicherweise abbrennen, bleibt folgendes Faktengerüst übrig.

Die Untersuchung des Fundes besteht aus zwei Phasen, Bergung und Zerlegung/Untersuchung des Blocks.

Bergung des Blocks

Erdblöcke haben die unschöne Eigenschaft, dass ihre Masse mit zunehmender Kantenlänge sehr schnell ansteigt. Sie steigt in der dritten Potenz der Kantenlänge, d.h. wenn sich die Kantenlänge verdoppelt, wird der Block 8 x so schwer. Da man eine Sicherheitsreserve braucht, denn man will den Befund ja keineswegs „anschneiden“, sollte die Kantenlänge nach dem Lehrbuch etwa drei mal so groß sein wie das darin vermutete Objekt bzw. der eigentliche Nutzinhalt. Wenn man für Lehm etwa eine Dichte von 2g/kcm annimmt, dann wiegt ein Würfel mit 30 cm Kantenlänge schon 54 Kg, einer mit 60 cm Kantenlänge gar 432 Kg.

Nun sind richtige Sondengänger Besessene, die nicht davor zurückschrecken, so große Lasten über so große Distanzen durch so unwegsames Gelände unter so unwürdigen Bedingungen zu schleppen, dass ein vergleichbarer Kraftakt in der gewerblichen Arbeitswelt schon längst die Gewerkschaften oder Amnestie International auf den Plan gerufen hätte. So wie Scrat, die Eichhörnchenratte aus den Ice Age Filmen, seine Eichel durch die Gegend schleppt. Trotzdem ist auch mit Sackkarre irgendwann die Grenze des Machbaren erreicht [33].

Konkret kann man sagen, dass die Urne aufgrund ihrer sehr geringen Größe auch von Privatpersonen als Block transportiert werden kann. Beim Bronzehort von Kirchseeon hingegen wäre das kaum möglich gewesen.

Nicht nur die Masse ist ein Problem. Der Block muss auch vor dem Auseinanderfallen bewahrt werden. Im Fall eines so kleinen Blocks wie der Urne reicht ein großzügiges Umwickeln mit Klarsichtfolie, die gleichzeitig vor dem Austrocknen schützt. Ich persönlich empfehle außerdem, einen Nordpfeil an der Oberseite zu verankern. Der Bronzehort von Kirchseeon hingegen musste aufgrund seiner Dimensionen von einer kreisförmigen Stahlmanschette umgeben werden, die wie eine überdimensionale Kuchenform aussah.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bergung im Fall eines so kleinen Blocks wie den der Urne von Privatleuten durchgeführt werden kann.



Analyse, Zerlegung, Auswertung des Blocks

Die vorsichtige Zerlegung des Blocks kann der Privatmann nicht so professionell durchführen wie die Mitarbeiter in den Restaurierungswerkstätten der AS. So dürfte z.B. kaum ein Privatmann in der Lage sein, zu erkennen, ob Asche human oder tierisch ist, oder humane Asche mit tierischer Asche vermengt wurde (Schweineknochen waren mal beliebt). Ebenso bleibt von organischen Stoffen, wie z.B. Geweberesten, häufig nur ein äußerst zerbrechlicher Rest bzw. Abdruck zurück, den man leicht übersehen kann. Bspw. ist es nicht sicher, dass ein Privatsucher die Schnüre, die den Bronzehort von Kirchseeon zusammenhielten, und deren Erhalt höchst ungewöhnlich ist, erkannt und gesichert hätte.

Nahezu gänzlich entzieht sich dem Privatmann die Herrlichkeit naturwissenschaftlicher Untersuchungen wie C14 Analysen [14] , Thermoluminiszenz, Neutronenaktivierung etc..

Die AS ist unzweifelhaft besser als Privatpersonen in der Lage, einem Fund ein Maximum an archäologischen Informationen zu entlocken.





Ergebnis

BLFD
Das BLFD wollte den Fund nicht bergen.

Das primäre Interesse des BLFD unter dem aktuellen Leiter ist, dass historische Funde im Boden bleiben, und dass möglichst wenige Leute das Hobby des Sondengehens aufnehmen. Das ist mit den Interessen des Sondengängers unvereinbar. Archäologische Informationen, die man einfach teilen und so als Basis für Kooperationen nehmen könnte, interessieren das BLFD nur nachrangig. So fehlt für eine Kooperation jegliche Basis.

Das BLFD zeigt sich dem Sondengänger gegenwärtig nur als reine Verbotsinstanz, auch wenn er relativ bedeutende Funde meldet und damit persönliche Nachteile in Kauf nimmt (z.B. das Risiko eingeht, dass bis zur Reaktion der staatlichen Stellen ein anderer Sucher ebenfalls auf den Fund stößt und ihn dann i.d.R. ohne viel Federlesens sofort ausgräbt und mitnimmt.)



AS
Das primäre Interesse der AS ist es, hochwertige Exponate für seine Sammlung zu erhalten. Falls der Sucher bereit ist

zeigt die AS große Bereitschaft auf seine Vorstellungen einzugehen.

An archäologischen Informationen hat keine der beiden Institutionen ein primäres Interesse, wodurch mein ursprünglicher Vorschlag nicht realisierbar war. Die AS interessiert sich immerhin sekundär dafür, was für ein Museum schon beachtlich genug ist, während das BLFD unbeeindruckt von Informationsangeboten den strikten Kurs der Sondengängerabschreckung [13] hält. Konsequent ist das BLFD immerhin, das muss man zugeben.

Vielleicht findet ein Sondengänger in den Kreisen der Universitätsarchäologen eher Kooperationspartner.

Eine Bergung durch die AS hätte mehr Informationen erbracht als die Bergung durch den Autor. Andererseits ist es die Politik staatlicher archäologischer Stellen, den Sondengänger als Quelle dieser Informationen offiziell zu verschweigen.



Entscheidung

Tja, heikle Frage. Fund selber bergen oder ihn samt Kontrolle an die AS verkaufen? Schnöder Eigennutz oder hehrer Gemeinsinn? Eine Weichenstellung von größter moralischer Bedeutung! Ich entschied mich das Grab selbst auszuwerten.

Also keine Bergung durch die AS, sondern durch private Hand unter erneuter Bestattung des Leichenbrandes an der ursprünglichen Stelle. Das wurde dem BLFD mitgeteilt. Man war nicht amüsiert.

Da eine private Bergung, formal gesehen, eine Ordnungswidrigkeit ist, muss die Berichterstattung darüber bis zum Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist stark eingeschränkt werden.

Danach bin ich natürlich bereit, das BLFD und andere staatliche, archäologische Institutionen über die dabei gemachten Funde zu informieren, sofern diese meldefähig sind [15] und sofern daran überhaupt Interesse bestehen sollte. Was ich bezweifle.


Ausschlaggebend für die Entscheidung war, dass

Einen Verkauf des Fundes wollte ich nicht, und das sah mein ursprünglicher Vorschlag auch nicht vor. Neben anderen, gewichtigen Gründen hatte der Fund dafür eine zu große ideelle Bedeutung. Etwas Geld kann ich auch verdienen, wenn ich ein paar Tage im Büro herumhänge und die Leistungsfähigkeit der Kaffeemaschine austeste. So einen Fund jedoch werde ich wohl kein zweites Mal in meinem Leben machen.

Siehe dazu auch den Artikel über das Wesen des Schatzsuchers, insbesondere den Abschnitt „finanzielle Erwägungen“. Sowie den Artikel "Materieller Wert von Sondengängerfunden".

Die Entscheidung stand größtenteils nach der Antwort des BLFD auf die Meldung fest, als diese den Fund selber nicht bergen, es mir aber verbieten wollten. Mir meinen Fund nehmen zu wollen, vom dem sie nur durch mich wussten, der abseits aller bekannten Bodendenkmäler gefunden wurde, den sie selber nicht bergen wollten, als Reaktion auf ein substantielles Kooperationsangebot meinerseits, fand ich wenig charmant.

Die AS hat durch ihr entgegenkommendes Verhalten bewirkt, dass ich eine Bergung durch sie dann doch noch sehr ernsthaft in Erwägung zog. Negativ fiel an ihr nur die öffentliche Bekanntgabe von Fundorten auf [16]. Dem standen sehr viele positive Aspekte gegenüber.

Mir gegenüber [17] ist das Verhalten der AS völlig korrekt gewesen und ich hoffe, dass sich in Zukunft unter besseren Vorzeichen eine erneute Möglichkeit der Kooperation ergibt.




(C) Thorsten Straub, www.sondengaenger-deutschland.de